Texte über die Arbeit

2023

Unsere Zeiten ist geprägt von allgemeiner Verunsicherung  Verlust von Übersichtlichkeit und produziert zahlreiche Umbrüche. In sensiblen Konstellationen sind es schon kleine Abweichungen von Parametern, die ein Gefüge ins Wanken bringen oder sogar zerstören. Diese Verschiebung von Sehgewohnheiten ist meine künstlerische Strategie: Anamorphe Skulpturen, die unsere Wahrnehmung und Orientierung biegen, hinterfragen und im Besten Fall neue provozieren. Es sind verdrehte Räume, die, mit verschiedenen Perspektiven aufgeladen, mehrere Realitäten gleichzeitig entfalten. Anders als im Kubismus die Leinwand oder in Eschers Werk die Fläche als Bildträger fungierten wird hier Skulptur und Spiegel zu einer inhaltlich- formalen Einheit. Mithilfe von präzisen, farbig gefassten Gehrungsschnitten und der weißlackierte Oberfläche entwickelt sich eine optisch , gesteigerte Tiefenwirkung, die sich an den perspektivischen Einzelformen unterschiedlichst ausrichtet. Die Acrylspiegelplatten unterstützen kalkuliert diese mehrdimensionale Wahrnehmung schaffen illusionistische Durchbrüche in andere Räume – oder reelle Rückblicke auf uns selbst. An der Wand ausgebreitet oder frei stehend produzieren die konstruktiven Objekte im Zusammenspiel, mit und ohne Spiegel unterschiedlichste urbane Raumwirkungen, die uns gleichzeitig an Architektur, Gebäudestrukturen, Wegweiser oder Schriftzüge der Werbung erinnern. Verdrehte Raumgefüge, die sich zu neuer Wahrnehmung verdichten.

FD Schlemme

 

Twisted 2021

In Zeiten von Umbrüchen sind es schon kleine Abweichungen der Parameter, die ein Gefüge ins Wanken bringen können. Diese Verschiebung von Ordnung ist meine künstlerische Strategie: Anamorphe Skulpturen, die unsere Wahrnehmung und Orientierung biegen, unsere Sehgewohnheit hinterfragen und im Besten Fall neue provozieren. Unter der Verwendung, Rückführung und Adaption von Materialien und Verbindungstechniken industrieller Produktion, basierend auf permanenten Materialexperimenten, entwickele ich mehrdimensionale Objekte aus lackiertem Holz und Plexiglasspiegeln, die absurd und widersprüchlich in ihrer Dynamik überraschen und täuschen. Nicht strengstens durchkomponiert und bis ins Letzte geplant, sondern in einem intuitiven, spielerischen Herstellungsprozess folgen sie der Regel: „Was ist möglich und was ist nötig“.

FD Schlemme

 

2016

In freier Findungen organischer sowie konstruktiver Formen machen Friedrich- Daniel Schlemmes Arbeiten aufmerksam auf die ambivalente Faszination von Neu- und Umgestaltung, also auf die täuschende Bereicherung der Welt durch das menschliche Eingreifen und Hinzufügen. Es geht heutzutage längst nicht mehr um den schönen Schein der Kunst, sondern um das faszinierende Gebilde, das als konkretes vorauseilendes Modell Einsichten in unsere Lebens-und Sichtweise provoziert. Aus Linien und Flächen entwickelt der berliner Künstler Objekte in Malerei und Skulptur, die in ihrer Widersprüchlichkeit mit unseren Sehgewohnheiten spielen : Sie erinnern uns an das, was wir noch nie gesehen haben.

KV Barsinghausen, Friedrich Holtiegel

 

2018

Unter der Verwendung, Rückführung und Adaption von Materialien und Verbindungstechniken industrieller Produktion, basierend auf permanenten Materialexperimenten, entwickelt FD Schlemme mehrdimensionale Objekte mit Materialien unserer Zeit, die absurd in ihrer eigenen, autonomen Dynamik überraschen und mit unseren Sehgewohnheiten spielen. Schlemmes abstrakte, vornehmlich von purem Weiß und jeweils einer Primärfarbe bestimmten Objekten unter dem Sammelbegriff Tragwerke lassen in Manchem an die Strategien der genialen KünstlerInnen-Schmiede der Moderne denken. Was Schlemme ebenfalls mit den Bauhauskünstlern verbindet, ist das sorgfältige praktizierte Handwerk: Dies fängt bei von Hand Schicht für Schicht verleimten Sperrholz an, das in langwierigem Prozedere über konvexe Elemente gespannt und allmählich gebogen wird, geht über die Formgebung zu mehrmaligen Farbaufträgen alternierend mit Schleifvorgängen weiter, bis hin zur Konstruktion des Gestänges – Edelstahlrohre, die ineinander gesteckt, mit Stahlstäben verbunden, verschraubt und mit Epoxitharz zusätzlich verklebt werden. Wir fühlen uns ganz zu Recht an Vorgänge des Modell- oder Möbelbaus erinnert, denn auch die organisch-technoide Formensprache stellt Bezüge zur zeitgenössischen Architektur und zum Design her. Was die Tragwerke auszeichnet, weil sie eben nicht Design sind, ist die Enthobenheit aus der Funktionalität. Sie dürfen nur sein, dürfen tun und lassen was sie wollen und uns in ihren dynamisch eingefrohrenen Bewegungen oder mechanischem Antrieb der Luftzirkulation deutbar werden. Hockcken wie gebannt am Boden, kriechen die Wand hoch; gleiten drohnenhaft über unsere Köpfe; oder sind im Zustand des Startens, um sich jeden Moment von ihrer Drahtaufhängung los zu reißen und durch den Raum zu zischen. Im gekonnten Zusammenspiel von Gerüst und Oberfläche, von neutralem Weiß und Farbe, von Statik und Dynamik begeistern uns Schlemmes Objekte. Man glaubt kaum, dass sie bei dieser technischer Finesse nicht strengstens durchkomponiert und bis ins Letzte geplant sind, sondern in einem intuitiven, spielerischen Prozess entstehen. Abstrakte Malerei im Raum sozusagen. „Das räumliche Experimentieren folgt der Regel: Was ist möglich und was ist nötig“, schreibt Schlemme in einem Künstlerstatement. Beides trägt zur Qualität bei – das beflügelnde Spiel mit Formen, Farben und Materialien, aber auch die selbstauferlegte Beschränkung, die Reduktion. Gerade auch darin baut sich eine Brücke zu seineren neueren Reliefs. Auf mattgeschliffenen, lackierten Holztafeln produziert die abstrakte Malerei mit den unterschiedlich geschrägten Seitenflächen dynamisch- illusionistische Raumgefüge, die an moderne Architektur, Logos oder retrohafte Werbetafeln erinnern. Das Licht und der Schatten, reell und gemalt, täuschen und irritieren im Zusammenspiel, der Schein und das Sein, komponiert als möbiusartige Endlosformen, führen zum zum verbindenden Gedanken, dass in der Selbstbeschränkung oft das Geheimnis zur visuellen und inhaltlichen Dichte liegt.

Basement Wien, Marie Christine Holter